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Channel: Mehrgliedrige stille Gesellschaft – Rechtslupe
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Die mehrgliedrige stille Gesellschaft – und die Auszahlung des Abfindungsguthabens

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Eine zweigliedrige stille Gesellschaft liegt vor, wenn jeder stille Gesellschafter jeweils für sich allein mit dem Inhaber des Handelsgeschäfts in einem Gesellschaftsverhältnis steht.

Bei der mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beschränken sich die Rechtsbeziehungen nicht auf das Verhältnis des jeweiligen stillen Gesellschafters zu dem Inhaber des Handelsgeschäfts (hier: der Fondsgesellschaft), sondern mehrere stille Gesellschafter und die Fondsgesellschaft sind miteinander in einem Gesellschaftsverhältnis verbunden.

Ob ein zweigliedriges oder ein mehrgliedriges stilles Gesellschaftsverhältnis besteht, richtet sich nach den Bestimmungen des jeweiligen Beitrittsvertrags.

Für den hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bedeutet dies: Regelungen, wie sie sich im Gesellschaftsvertrag fanden, der der (grundlegenden) Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.11.2013 zur mehrgliedrigen stillen Gesellschaft zugrunde lag, fehlen im vorliegenden Vertrag über die stille Beteiligung mit Wandlungsrecht. Lediglich in § 3 Abs. 3 BV findet sich der Hinweis darauf, dass die Fondsgesellschaft weitere stille Beteiligungen ausgeben wolle. Über irgendeine vertragliche Verbindung zwischen den jeweiligen stillen Gesellschaftern untereinander und der Fondsgesellschaft enthält der Beteiligungsvertrag nichts. Vielmehr werden durchgängig allein die Begriffe „die Fondsgesellschaft“ und „der stille Gesellschafter“ verwandt. Zwar darf der stille Gesellschafter an Gesellschafterversammlungen der Fondsgesellschaft teilnehmen. Er hat dort jedoch in der Regel weder ein Vorschlags- noch ein Stimmrecht. Dass er ausnahmsweise bei den unter § 7 Abs. 2 BV genannten Beschlüssen stimmberechtigt ist, reicht zur Annahme einer (Publikums)Gesellschaft zwischen allen stillen Gesellschaftern, den Kommanditisten und der Fondsgesellschaft ebenso wenig aus, wie die Regelung in § 10 Abs. 6 BV, wonach bei der Gewinnermittlung auf das Verhältnis zur Summe der Kapitalkonten sämtlicher stiller Gesellschafter und der Gesellschaft abgestellt wird.

Bei einem zweigliedrigen stillen Gesellschaftsverhältnis richtet sich die Auslegung des Vertrags, mithin hier der Bestimmung des § 16 Abs. 3 BV, gemäß §§ 133, 157 BGB i.V.m. § 242 BGB nach dem Empfänger/Verständnishorizont des beitretenden Anlegers, hier der Gesellschafter.

Gemessen daran durften die stillen Gesellschafter der Bestimmung des Beitrittsvertrages entnehmen, dass sie an der Geltendmachung ihres Abfindungsanspruchs nur dann gehindert sein sollten, wenn die Geltendmachung dieses Anspruchs einen Grund für die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ihres Vertragspartners, der als Inhaberin des Handelsgewerbes im Sinne des § 230 HGB auftretenden Fondsgesellschaft, darstellen würde. Entgegen der Ansicht der Revision schließt es bereits der Wortlaut des Beitrittsvertrages aus, für den Ausschlusstatbestand nicht nur auf den Auszahlungsanspruch der Gesellschafter, sondern auf alle fälligen Auszahlungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter der Fondsgesellschaft abzustellen, so dass es nicht darauf ankommt, dass Unklarheiten bei der Auslegung der Vorschrift ebenfalls zu Lasten der Fondsgesellschaft gingen (entsprechend § 305c Abs. 2 BGB). Der vorliegende Beitrittsvertrag stellt eine Beziehung bzw. ein Abhängigkeitsverhältnis her nur zwischen dem Abfindungsanspruch der Gesellschafter einerseits und dem Vermögen ihres Vertragspartners, der Fondsgesellschaft, andererseits, indem die Durchsetzbarkeit dieses Abfindungsanspruchs aus dem zweiseitigen Vertragsverhältnis davon abhängig gemacht wird, ob die Fondsgesellschaft ihn erfüllen kann, ohne aufgrund der Erfüllung zahlungsunfähig oder überschuldet zu werden und Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen zu müssen. Der Schutz der Gläubiger gebietet eine abweichende Auslegung des Gesellschaftsvertrages nicht, weil es bei der stillen Gesellschaft an einem durch Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften geschützten Gesellschaftsvermögen fehlt.

Auch muss, um den Zweck des Beitrittsvertrages zu erreichen und ein erlaubnispflichtiges Einlagegeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG auszuschließen, die Vorschrift nicht dahin ausgelegt werden, dass auf alle fälligen Abfindungsansprüche aller stillen Gesellschafter abzustellen ist. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Danach gilt die Einlage eines stillen Gesellschafters dann als rückzahlbar und in diesem Sinne auch fremd, wenn die Verlustteilnahme nach § 231 Abs. 2 HGB vertraglich so weit ausgeschlossen wird, dass der stille Gesellschafter aus der Einlage auch noch in der insolvenznahen Situation des Unternehmens, an dem er sich still beteiligt, Zahlungen beanspruchen und so überhaupt erst die Insolvenz des betreffenden Unternehmens auslösen kann. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung muss vielmehr solange und soweit ausgeschlossen werden, wie die Rückzahlung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeiführt. Diese Anforderungen erfüllt der vorliegende Beitrittsvertrag für das zweigliedrige stille Gesellschaftsverhältnis der Parteien, auf das hier allein abzustellen ist. Aber selbst wenn man der Ansicht der Revision zur Zweckverfehlung folgen wollte, stünde dies der Auslegung des Beitrittsvertrages in dem oben dargelegten Sinne nicht entgegen, sondern würde nur dazu führen, dass die Art und Weise der Ausgestaltung der stillen Beteiligung gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG verstieße, nicht aber dazu, dass Beitrittsvertrag im gegenteiligen Sinne auszulegen wäre.

Auch steht der Umstand, dass wegen der insolvenzhindernden Funktion der beitrittsvertraglichen Regelungen eine Passivierung der Forderung der Gesellschafter sowohl im Überschuldungsstatus als auch in der Liquiditätsbilanz ausgeschlossen sein soll, der obigen Auslegung nicht entgegen. Es geht hier nicht darum, dass die Unternehmerin im Rahmen der Prüfung ihrer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit die Forderung der Gesellschafter aus dem Beitrittsvertrag nicht passivieren müsste, sondern allein darum, ob die Forderung der Gesellschafter, wenn sie nach Kündigung geltend gemacht wird, zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Fondsgesellschaft führt. Das hat nichts mit der – ansonsten nicht bestehenden – Passivierungspflicht zu tun.

Eine andere Auslegung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Gesellschafter im Falle einer später doch eintretenden Insolvenz der Fondsgesellschaft (etwa im Hinblick auf weitere möglicherweise zu erfüllende Abfindungszahlungen) ohnehin mit einer Rückzahlung an den Insolvenzverwalter rechnen müssten. Das ist nämlich nicht der Fall. Denn jede Rückgewähr der Einlage, deren Rechtsgrundlage schon vor der kritischen Zeit des § 136 InsO bestanden hat, ist der Anfechtung nach § 136 InsO (früher: § 237 HGB) entzogen. War dem stillen Gesellschafter – wie hier – schon im Gesellschaftsvertrag ein Recht zur Kündigung eingeräumt, kann die Rückgewähr der Einlage nach § 136 InsO selbst dann nicht angefochten werden, wenn die Kündigung in kritischer Zeit erfolgte.

Ergibt bereits die Auslegung des Beitrittsvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB i.V.m. § 242 BGB, dass der Auszahlungsanspruch der Gesellschafter nur ausgeschlossen ist, wenn seine Geltendmachung zur Insolvenz der Fondsgesellschaft führt, kommt es auf die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts, dass bei einer gegenteiligen Auslegung die Regelung des Gesellschaftsvertrages gegen § 138 BGB verstoßen würde, mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr an. Die Bedenken, bei der vorliegenden Auslegung der „Zweck, die Zahlungsfähigkeit der Fondsgesellschaft zu erhalten“ verfehlt werde, teilt der Bundesgerichtshof nicht. In dem hier allein zur Entscheidung stehenden zweigliedrigen stillen Gesellschaftsverhältnis wird dieser Zweck durch den Beitrittsvertrag durchaus erreicht. Hätte die Fondsgesellschaft erreichen wollen, dass jeder einzelne stille Gesellschafter seine Einlage nur dann soll zurückverlangen können, wenn sie ohne Gefährdung ihrer Zahlungsunfähigkeit alle stillen Gesellschafter befriedigen könnte, hätte sie das im von ihr vorformulierten Beteiligungsvertrag – soweit rechtlich zulässig – regeln müssen.

Die Gesellschafter sind hinsichtilch ihres Anspruchs auf Auszahlung des Abfindungsguthabens auch nicht etwa aus Treuepflichtgesichtspunkten an der Geltendmachung ihrer Forderung gehindert. Führt die Geltendmachung – unstreitig – nicht zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Fondsgesellschaft, gibt es im Verhältnis zu ihr keine Treuepflichten, die die Geltendmachung hindern. Im Verhältnis zu den übrigen stillen Gesellschaftern oder sonstigen Gesellschaftern der Fondsgesellschaft bestehen keinerlei vertragliche Beziehungen, aus denen Treuepflichten hergeleitet werden könnten. Dass es bei einer Vielzahl stiller Gesellschafter mit gleichartigen Kündigungsrechten zu einem Gläubigerwettlauf kommen kann, rechtfertigt – wie auch sonst bei einer Gläubigerkonkurrenz z.B. gegenüber einem prospektverantwortlichen Gründungsgesellschafter – keine andere Beurteilung.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. September 2015 – II ZR 310/14


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